Die Bedeutung von Gutachten im sozialrechtlichen Verfahren
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Im Sozialrecht kommt es neben rechtlichen Fragestellungen in vielen Fällen auch auf Tatsachen an.
So ist zum Beispiel für die Anerkennung einer Erwerbsminderungsrente zu klären, wie viele Stunden täglich eine Person auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (hierzu zählt jede denkbare Tätigkeit und nicht der erlernte/ausgeübte Beruf) noch arbeiten kann.
Hierzu vertritt die Rentenversicherung in der Regel die Ansicht, dass einer Tätigkeit noch in Vollzeit nachgegangen werden kann. Dagegen beruft sich die den Antrag stellende Person bei einer vollen Erwerbsminderungsrente darauf, dass sie nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann, bei einer teilweisen Erwerbsminderungsrente darauf, noch mehr als drei aber weniger als sechs Stunden arbeiten zu können.
Zur Klärung dieser Frage werden im Verwaltungsverfahren und in einem ggf. anschließenden Gerichtsverfahren ärztliche Gutachten in Auftrag gegeben.
Arten von Gutachten
Im Sozialrecht gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Dieser besagt, dass die Behörde bzw. das Gericht den Sachverhalt von sich aus ermitteln muss. Im Gegensatz dazu steht der z.B. im Zivilrecht geltende Beibringungsgrundsatz. Hierbei müssen die Parteien alle für sie sprechenden Umstände selbst vortragen und beweisen.
Zur Ermittlung des Sachverhaltes kann die Behörde bzw. das Gericht ein sogenanntes Gutachten von Amts wegen auf eigene Kosten in Auftrag geben. Es dient dazu bei der Urteilsfindung zu unterstützen. Die Behörde bzw. das Gericht ist in der Würdigung frei. Allerdings kommt einem von Amts wegen in Auftrag gegebenen Gutachten ein hoher Stellenwert zu, da davon ausgegangen wird, dass diesem eine besondere Fachkunde zugrunde liegt. Vor allem das Gericht wird ohne stichhaltige Gründe über die Beurteilung von medizinischen Fragen nicht hinweggehen.
Daneben besteht die Möglichkeit in das Gerichtsverfahren ein privat in Auftrag gegebenes Gutachten einzuführen. Auch hier ist das Gericht – unter Heranziehung sachlicher Gründe – frei in der Würdigung, insbesondere bei sich widersprechenden Gutachten.
In der Praxis messen die Gerichte einem Privatgutachten eher weniger Bedeutung bei, v.a. wenn es von einem behandelnden Arzt erstellt wird, weil angenommen wird, es falle ggf. eher aus Gefälligkeit zugunsten des Patienten aus. Auch sind die Kosten für das Privatgutachten von der Klagepartei vorzustrecken und werden nur unter bestimmten Voraussetzungen zurückerstattet.
Auseinandersetzen mit dem Gutachten als anwaltliche Aufgabe
Fällt das vom Gericht in Auftrag gegebene Gutachten negativ für den Mandanten aus, erhält man häufig den Hinweis des Gerichts, die Klage zurückzunehmen. Leider kommen dem auch Anwälte allzu schnell nach.
Dabei setzt an dieser Stelle eine der wichtigsten Aufgaben ein, nämlich sich kritisch mit dem Gutachten auseinander zu setzen. Dies ist durchaus zeitintensiv, da man sich in den medizinischen Sachverhalt einarbeiten muss. Jedoch lohnt es sich, da man dann auf ein neues Gutachten von Amts wegen, ein Zusatzgutachten auf einem weiteren medizinischen Fachgebiet, eine ergänzende Stellungnahme zum Gutachten oder sogar eine Entscheidung entgegen dem Gutachten hinwirken kann.
Zu prüfen sind hier zum einen formale Aspekte, z.B. ob das Datum und Uhrzeit der Untersuchung angegeben sind.
Zum anderen ist das Gutachten inhaltlich darauf zu prüfen, ob es die vom Gericht gestellten Beweisfragen schlüssig beantwortet: Wurde das Gutachten anhand wissenschaftlich anerkannter Verfahren und Begutachtungsrichtlinien erstellt (z.B. Anwendung anerkannter psychologischer Tests bei einem Gutachten auf psychiatrisch-neurologischen Fachgebiet; Anwendung der Begutachtungsrichtlinien der Berufsgenossenschaften oder der Rentenversicherungsträger)?
Weist das Gutachten Widersprüche auf (Es ist z.B. widersprüchlich, wenn das Gutachten in der Anamnese zum Tagesablauf des Betroffenen beschreibt, dass dieser nach dem Aufstehen und Frühstück ein wenig lese, ein wenig Fernsehen schaue, tagsüber viel schlafe. Zu Freunden und Familie sei der Kontakt abgebrochen und später zu dem Ergebnis kommt, dass der Betroffene einer Vollzeittätigkeit nachkommen könne, da er auch privat viele Hobbys habe und kontaktfreudig sei)?
Wurden die eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte berücksichtigt, ausgewertet und Abweichungen davon nachvollziehbar begründet?
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Die Bedeutung von Gutachten im sozialrechtlichen Verfahren
Im Sozialrecht müssen oft medizinische Fragen geklärt werden, um sicherzustellen, dass die richtigen Leistungen gezahlt werden. Dazu können ärztliche Gutachten in Auftrag gegeben werden.
Arten von Gutachten
Es gibt zwei Arten von Gutachten:
- Gutachten von Amts wegen: Das Gericht oder die Behörde gibt das Gutachten auf eigene Kosten in Auftrag, um bei der Entscheidung unterstützt zu werden.
- Privatgutachten: Ein Privatgutachter wird von der Klagepartei beauftragt, ein Gutachten zu erstellen.
Wie wichtig sind Gutachten?
Ein Gutachten kann sehr wichtig sein, aber es ist nicht immer endgültig. Das Gericht kann das Gutachten ablehnen oder es mit einem anderen Gutachten vergleichen.
Was kann man tun, wenn ein Gutachten negativ ausfällt?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten um ein Gutachten zu kritisieren.
Man kann Formalitäten überprüfen, z.B. ob Datum und Uhrzeit angegeben sind.
Man kann überprüfen, ob das Gutachten die Fragen des Gerichts beantwortet und ob es wissenschaftlich anerkannte Verfahren verwendet.
Wenn es Widersprüche im Gutachten gibt, sollten sie ausgemacht werden.
Die Prüfung des Gutachtens ist eine wichtige Aufgabe für den Anwalt.